OCTOBER NEWS

 

Tadaima | Japan. _ On air: Dear alter Ego (on Maya Deren). On TV: Rebellinnen | Diese Sendung ist kein Spiel.

Standing in front of the Window of Enlightenment (Genkoan Temple, Kyoto). This window is round, while the Window of Confusion is square. Reflecting on a famous phrase by the great writer Ingeborg Bachmann: „If we had the word, if we had the language, we would need no weapons.“

When I think about the world and the new cruel wars, so many sentences come to my mind, here, on the island of the blissful, an Elysium….I am walking barefoot in rivers, looking at the world together through children’s eyes with my friends, my Japanese family. Temple gazing off the beaten tracks. Finding inner peace again for moments. Shining one corner of the world.

October brings on air: my new radio play based on the poems, letters and essays of legendary experimental filmmaker Maya Deren. Dear alter Ego. A very musically staged production in which Maya Deren’s films almost become visible. Featuring Marina Frenk, Martina Gedeck, Robert Stadlober and Valéry Tscheplanova.

October also brings on TV: Rebellinnen. Fotografie. Underground. DDR. Predicate: a particularly valuable historical document. Their stories. From the mouths of artists. Available until the end of January 2024 in the ARD Mediathek.

October shows again on TV: Diese Sendung ist kein Spiel. Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann. In her critical documentary, Grimme award winner Regina Schilling analyzes the creepy worldviews of Germany’s first true crime series, underpinned with scenes from politics and a country in transition. On 3sat until 8 November 2023.

The Süddeutsche Zeitung about my radio play „Dear alter Ego“: 

Die Verwandlung der Wirklichkeit
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Mit den Mitteln des Hörspiels erschließt die Musikerin, Autorin und Regisseurin Ulrike Haage den spannenden Kosmos der weithin vergessenen Experimentalfilmerin Maya Deren.

Von Stefan Fischer

Es ist jedes Mal reizvoll, wenn sich das Hörspiel mit Film beschäftigt. Denn einerseits sind es jene beiden Kunstgattungen, die sich wie keine anderen über den Schnitt und die Montage als maßgebliches Gestaltungsmittel definieren. Andererseits stehen sie sich in ihrem jeweiligen Primat auf das Akustische beziehungsweise Visuelle diametral entgegen.

Ulrike Haage, Musikerin, Hörspielautorin und -regisseurin, hat sich für ihr neues Stück Dear alter Ego gleichermaßen in das Leben wie das Werk der ukrainisch-amerikanischen Experimentalfilmerin Maya Deren (1917-1961) hineinbewegt. Haage kann mit Fug und Recht als Spezialistin bezeichnet werden für die akustische Fiktionalisierung von Künstlerinnen-Biografien: 2003 hat sie Ding fest machen realisiert über Louise Bourgeois, fünf Jahre später Alles aber anders über Eva Hesse. Und auch ihre Inszenierung von True Stories (2019) ist nicht nur eine Bearbeitung von Texten der Konzeptkünstlerin Sophie Calle, sondern eine intensive Beschäftigung mit deren Gedankenwelt und Lebensentwurf.

Maya Deren passt hervorragend in diese Reihe. Ihr war daran gelegen, das Medium Film zu erkunden. Also künstlerisch zu erforschen, was es bedeutet, mittels einer technischen Apparatur Wirklichkeit festzuhalten, zu bearbeiten und wiederum technisch in eine andere Wirklichkeit zurückzuprojizieren. „Eine Projektion trügerischer Dimension“ nannte Deren das. Sie ist in ihren Filmen in der Regel auch selbst aufgetreten; und so hat sie sich ganz wesentlich auch mit der Frage beschäftigt, zu wem sie selbst wird als Filmfigur. Haages Hörspiel Dear alter Ego ist nicht zuletzt ein Dialog zwischen dem filmischen und dem realen Ich von Maya Deren.

Die Autorin, Komponistin und Regisseurin greift in ihrem Hörspiel sowohl auf Filme Derens zurück als auch auf Tagebucheinträge und Briefe. Maya Deren war unter anderem mit der Schriftstellerin Anaïs Nin befreundet, die teilweise sogar in den Filmen aufgetreten ist. Auch Nins Korrespondenz fließt ein in Dear alter Ego. Das Stück erzählt vom Filmemachen ohne finanzielle Interessen, von Werken ohne „literarische Handlung“, wie Deren es nennt. Es handelt auch von der gesellschaftlichen Skepsis der Gesellschaft einer Frau gegenüber, die sich für Technik interessiert und Rollen übernimmt – Regie, Produktion -, die zu Maya Derens Lebzeiten in der Filmindustrie Männern vorbehalten waren.

Die Musik ist wie immer bei Ulrike Haage nicht illustrativ, verstärkt also nicht das ohnehin bereits Wahrgenommene, sondern folgt eigenen Spuren des Ausprobierens und Verfremdens, adaptiert in ihren scheinbar simplen Strukturen also die Arbeitsweise Derens. Dazu fügt Haage die anachronistischen Geräusche der analogen Filmvorführung, das Klackern und Rattern der Projektionsapparate ein. Denn darum ist es Maya Deren immer gegangen: Sie hat Film nicht als Illusionsmaschinerie begriffen, sondern wollte die Entstehungs- und Transformationsprozesse stets offenlegen.

Dear alter Ego , Bayern 2, 29. September 2023, 21.05 Uhr.

Stefan Fischer